Tuesday, August 23, 2011
K2 und Augustinus
Gerlinde Kaltenbrunner hat heute den K2 Gipfel (8611 Meter) erreicht und damit alle 14 Achttausender dieser Erde ohne zusätzlichen Sauerstoff erklommen. Wenn immer Menschen sich zu solchen Taten aufschwingen fragen andere, was es wohl sei, das jemanden dazu treibe. „Motivation“ wäre die technische und nüchterne Antwort: jeder von uns hat eine kleine Maschine, die uns antreibt, und diese wird je nach
Person von unterschiedlichen Dingen gespeist. Für manche ist es Abenteuer, für andere Risiko, für den Dritten das Überwinden der eigenen Grenzen. Doch wenn sie zurückkommen dauert es keine Woche, bis sie den nächsten Trip planen. Irgendwie hält das High nicht lange an.
Gerade Bergsteiger haben oft noch eine andere Motivation. Irgendwie fühle ich mich Gott besonders nahe, wenn ich am Gipfel stehe. Das ist keine seltene Aussage, und sowohl ethnologische Studien als auch die vielen Gipfelkreuze zumindest in westlichen Ländern bestätigen dieses Gefühl. Irgendwie sind Berge etwas Heiliges, und im Besteigen macht man sich auf den Weg zu Gott. Moses tat das so, der Prophet Elia, und viele andere in der Bibel. Aber wohnt Gott wirklich auf einem Berg? „Ich war im Weltall, und Gott habe ich nicht gefunden“, das war die Aussage von Yuri Gargarin, nachdem er als erster die Erde in einer Raumkapsel um
kreist hatte. Ähnliches könnte man vermutlich auch über Mont Blanc oder K2 sagen: „Ich war oben, Gott habe ich aber nicht gefunden“ Wie immer wir Gott definieren, gerade seine Nichtgeschöpflichkeit macht ihn zu Gott, per Definition. So darf es uns nicht Wunder nehmen, wenn wir ihn nicht mit geschöpflichen Sinnen wahrzunehmen vermögen. Und dennoch ist es vielleicht doch nicht ganz so einfach? Beim Bergsteigen scheint man sich oft den geschöpflichen Grenzen entziehen zu können, sowohl weil man die eigenen Grenzen zumindest für kurze Zeit überwindet, aber auch weil der Berg irgendwie aus der irdischen Welt in die himmlische hineinzuragen scheint. Daher sind Berge in vielen Religionen Schwellenorte, wo man vom Diesseits ins Jenseits zu schreiten vermag, zumindest für ein paar Augenblicke.
Und noch etwas: was immer wir für ein Motivationstypus sind, wir alle teilen
einen unersättlichen Hunger nach der Ewigkeit. Augustinus, der afrikanische Theologe, umschreibt das folgendermaßen: „Unser Herz ist rastlos oh Herr, und es wird es ruhig wenn es ruht in dir“ Mit anderen Worten sind alle Menschen zutiefst auf das Jenseits ausgerichtet. Jeder Versuch, diesen Hunger mit etwas anderem als Gott selbst zu stillen, muß fehlschlagen. Aber wenn wir diesem Verlangen nachgehen, dann begegnen wir Gott, gerade an Orten, wo wir die natürlichen Grenzen übersteigen: beim Sport, in der Kunst, in der Meditation. So würde es mich nicht überraschen, wenn Gerlinde Kaltenbrunner doch begegnet wäre. Hoffentlich aber nur kurz, und sie schafft es heil wieder den Berg herunter.