Sunday, February 25, 2007

 

Nicht vom Brot allein lebt der Mensch…


Eine nicht unübliche Frage unter Bekannten lautet: „Wovon lebst du?“ Darunter verstehen wir, wie jemand seinen Lebensunterhalt bestreitet, daher oft auch, was man für einen Beruf ausübt. Daher auch die Redewendung „sein tägliches Brot verdienen“. Sich zu versorgen, zu essen zu haben, gehört zu den Grundbedürfnissen des Lebens, und Brot steht seit Urzeiten für Nahrung und Versorgung. Einzig Weltfremde und Begüterte können den Wert von Brot bestreiten, so etwa Marie Antoinette, die auf die Meldung, dass das Brot ausgegangen sei, mit „ qu´ils mangent de la brioche“ antwortete (sie können ja Kuchen essen).


Was soll also dieser Satz aus der Heiligen Schrift, der am ersten Sonntag der Fastenzeit von Jesus im Sonntagsevangelium geäußert wird? Nicht vom Brot allein: Brot allein genügt nicht, der Mensch bedarf anderer Dinge, um wahrhaft zu leben. Als Kind dachte ich immer, dass damit Fleisch, Käse und Süßigkeiten gemeint waren. Der Bibelvers weist aber in eine ander
e Richtung. Die elementaren Lebensbedürfnisse zu befriedigen macht uns noch nicht zu Menschen. Und doch, immer wieder ist das Leben von Menschen gerade darauf reduziert. In Mozambik vermögen unsere Freunde derzeit an nichts anderes zu denken als daran, wie sie sich und ihre Familie ernähren können, denn die Flut und der Sturm haben ihnen alles geraubt. Aber es muss nicht Mozambik sein, Moosham bei Salzburg genügt: auch dort gibt es Menschen, in unserer postindustriellen Welt, die zu nichts anderem kommen, als sich und ihre Familie zu ernähren, denn ihr Einkommen ist so niedrig, dass für echtes Leben keine Zeit bleibt. So stellt dieser Bibelvers die Frage, ob es erlaubt sein darf, dass Menschen auf unserem Planeten allein vom Brot leben, und für nichts anderes Geld und Muße haben.


Aber wie steht es denn mit mir? Wovon lebe ich? Was gibt mir Leben, was rich
tet mich auf? Ist es nicht viel mehr als nur eine Scheibe Brot, eine Mahlzeit, ein voller Magen? Sind nicht Zuwendung durch andere, Verständnis, Hingabe, kurz Beziehungen fast genauso wichtig? „Lebe ich nicht auf“, wenn ich etwas tue, dass Sinn macht? Zu spüren, dass mein Leben und meine Tätigkeit etwas vorantreiben, das Bestand hat und gut ist, das gibt Kraft und Motivation. Und dennoch, wie leicht fällt es doch, sich nicht auf den anderen einzustellen, nicht in Beziehungen zu investieren, sondern für mich selbst zu leben? Wie oft tue ich nicht die Dinge, von denen ich weiss, dass sie Bestand haben, einfach weil das zu anstrengend scheint. Stattdessen tümple ich vor mich hin, und Tage und Wochen verrinnen, ohne dass ich meinem Lebensziel näherzukommen scheine. Somit könnte der heutige Vers fast eine Managementmantra sein, die uns daran erinnert, das Wichtige und Wesentliche zu tun, solange noch Zeit ist. Nicht vom Brot allein lebt der Mensch...


Der Kontext für die Stelle, die Christen heute um die ganze Welt lesen, ist ein seltsames Ereignis in Leben Jesu, die Versuchung in der Wüste. Lassen wir für einen Augenblick den Teufel
beiseite; Jesus hat gefastet, und das für 40 Tage, wie viele große heilige Männer und Frauen, und nun ist er hungrig. Die Versuchung besteht darin, sich seiner göttlichen Macht zu bedienen, um einen Stein zu Brot zu verwandeln. Was kann daran Versuchung sein, wenn er wirklich der Sohn Gottes war? Die ganze Geschichte (unter anderen in Lukas 4 nachzulesen) zeigt, wie Jesus im kritischen Augenblick nicht aus seiner menschlichen Haut herausfährt, um wie Supermann die Dinge zu lösen, sondern als ganzer Mensch die Herausforderungen annimmt. Das macht ihn erst zu jemandem, der uns Menschen etwas zu sagen hat. So löst er seinen Hunger nicht mit einem Zaubertrick. Die Stelle, die er zitiert, stammt aus dem Alten Testament: dort wird die Wüstenwanderung des Volkes Israels beschrieben. Sie murrten und beklagten sich, als sie hungrig waren. Jesus hingegen vertraut, dass Gott selbst seinen Hunger stillen wird. Damit wendet er sich gegen den Machbarkeitsglauben des Menschen unserer Zeit und erinnert ihn, dass alles Leben von Gott kommt: ob Brot, Beziehungen oder geistliches Leben, alles kommt von Gott. Der wahre Mensch murrt nicht, wenn es nichts zu essen gibt; er meint auch nicht, man könne Hunger im Handumdrehen verschwinden lassen. Der wahre Mensch weiss um das Prekäre des Lebens und darum, dass alles aus der Hand Gottes kommt.

Die nächsten 40 Tage sind seit 2000 Jahren die große Fastenzeit der Christen. Vielleicht eine Einladung auch an uns, nachzudenken über Welthunger und Ungerechtigkeit, über das, was uns wichtig ist im Leben, und dem nachzuspüren, was uns wirklich sättigt?


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