Saturday, April 03, 2010

 

Der Karsamstag von Jean Paul Sartre

Der französische Existentialist Jean-Paul Sartre postuliert in einem seiner Stücke: „L´enfer, c´est les autres“ (die Hölle, das sind die anderen). Sowohl theologisch als auch soziologisch ist diese Aussage nicht haltbar. Wenn wir besonders die westliche Welt ansehen, dann ist fast kein Leiden so weitverbreitet wie die Einsamkeit und ihre Konsequenzen wie Verwahrlosung, Sucht und Selbstmord. Es scheint eher als ob die Abwesenheit anderer, das mangelnde Du, die eigentliche Hölle darstellt.

Im christlichen Glaubensbekenntnis gibt es eine Zeile, die von Jesus als dem spricht, der „hinabgestiegen ist in das Reich des Todes“ (oder in der Übersetzung aus meiner Kindheit) „Hinabgestiegen in die Hölle“. Eine erste Interpretation dieser Worte bezieht sich auf den Tod Jesu. Wie in vielen Ikonen dargestellt starb Jesus und wandelte deshalb dorthin, wo alle Toten waren, nämlich ins Reich der Finsternis. Allein er war der einzige, dem der Tod nichts anhaben konnte, ähnlich einem Feuermann im Asbestanzug während eines Feuers, oder besser noch, ein Immuner inmitten einer Ebolaepidemie. Deshalb wird er in Bildern als einer dargestellt, der aufrecht in die Hölle geht, im Wissen, dass diese über ihn keine Macht hat. Der Todesvirus kann ihn nicht infizieren, im Gegenteil: wen er berührt, der wird ebenfalls immun. Und so zeigen die Ikonen ihn, wie er Adam und Eva aus dem Schlaf des Todes weckt und sie aus der Hölle herausführt, und mit ihnen alle Entschlafenen. Das bedeutet das Geheimnis, welches Christen am Karsamstag feiern, dass Christus in die Hölle hinabgestiegen ist.

Aber es gibt noch eine zweite, verwandte Auslegung. Die Hölle beginnt nämlich nicht erst nicht im Jenseits, es gibt den Tod schon diesseits des Todes, und viele leben in der Hölle der Einsamkeit, Verlassenheit, Krankheit, Armut und Verfolgung hier und jetzt. Aber auch in diese Hölle ist Jesus hinabgestiegen, auch an diesen Orten des Todes ist er zu finden. Ob es das KZ von Ausschwitz ist oder das Waisenheim von Zimpeto, die Leprainsel Molokai oder die „Walled City“ von Hongkong, an all diese Orte sendet er Feuerwehrleute, Menschen, die das Leiden und den Tod sehen, aber in sich ein Leben tragen, welches stärker als der Tod ist. Maximilian Kolbe und Heidi Baker, Damian De Veuster und Jackie Pullinger sind alles Christen, die in sich die Liebe Gottes tragen und dadurch in der Lage sind, Menschen aus der Hölle zu holen. Aus Einsamkeit und Armut, Sucht und Verzweiflung werden Gemeinschaft und Teilen, Freiheit und Hoffnung- dank der Hilfe anderer. Das ist das Ostergeheimnis, welches Christen dieser Tage feiern.

Und Sartres Aussage sollte revidert werden zu „Le ciel, c´est les autres“ (der Himmel, das sind die anderen). Aber vielleicht hat der das in der Zwischenzeit schon herausgefunden.

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