Friday, April 10, 2009

 

Dornenkrone

Auf meinen Esstisch liegt ein seltsames Gebilde aus alten, braunen Brombeerzweigen: fast wäre es, als hätte ein Kind versucht, eine Krone zu basteln. Diese Krone ist nicht nur armselig und einfach, sie wirkt auch tragisch, denn die Dornen erinnern uns alle an Male, wenn wir uns an eben solchen Sträuchern wundgestochen haben.
In unserem demokratischen Zeitalter finden wir Kronen normalerweise in Museum (oder beim Zahnarzt :)): ausser Miss World und vielleicht noch Eleven beim Opernball trägt fast niemand mehr Kronen. Einst waren sie Zeichen von Autorität, Herrschaft und Glanz- je herrlicher die Krone, desto größer der Träger. So nimmt es wunder, dass seit Jahrhunderten diese Kinderkrone aus Dornen zu einem Symbol für Christen geworden ist. Irgendwie scheinen sie einen König zu feiern, aber anders, als diese Welt es kennt.

Der Hintergrund ist ein Ereignis in der Lebensgeschichte Jesu: während seines Prozesses als Unruhestifter nehmen ihn Soldaten beiseite, und zum Spott setzen sie ihm eine Dornenkrone auf. Als er dann wenig später von den Römern gekreuzigt wird, trägt er noch immer dieses Spottzeichen. Man würde meinen, Christen würden über die Jahrhunderte Wege finden, um diese Demütigung zu vergessen, anstatt dessen Symbol überall anzubringen.

Doch nur wenige Zeichen haben dieselbe Aussagekraft wie dieses:einerseits steht es für den Träger, der ein König war. Christen beanspruchen von sich, dass sich nicht einem Rabbi oder Guru gefolge leisten, sondern einem König. Doch ist sein Reich nicht „von dieser Welt“ und funktioniert deshalb auch nicht nach weltlichen Maßstäben. Es gibt kein Heer, welches diesem Reich zum Durchbruch verhilft, und niemand wird gezwungen, die Gesetze dieses Reiches einzuhalten. Kein Schutzmann vergibt Strafzettel und Rebellen werden nicht ins Arbeitslager verfrachtet.

Dennoch hat dieser König genaue Vorstellungen davon, wie sein Reich auszusehen hat, und eine ganze Bibliothek (die Bibel genannt) ist voll von den göttlichen Denk- und Lebensweisen, die sich Reichsgenossen zu eigen machen sollten. Obgleich scheinbar ziemlich vernünftig, der Goldenen Regel anmutend, wurden diese Vorstellungen doch immer wieder verworfen. Ja es gab sogar einen Putsch,das heisst den Versuch, diesen König umzustürzen. Doch anstatt eine Strafexpedition auszuschicken beschloß der König, selbst mit den Rebellen zu verhandeln und sie zur Raison zu bringen. Und nun komme die Dornen ins Spiel, denn die Verhandlungen gingen blutig aus und der König wurde ermordet. Ein tragisches Ende einer weiteren Monarchie? Scheinbar...

Christen meinen aber, dass dieser tragische Tod mehr war als nur die Ermordung eines guten, wenn auch unpopulären Königs. Da dieser König freiwillig starb und sein Leben für die Rebellen opferte, wurde auf einmal Friede. Was wie das Ende seines Reiches schien, entpuppte sich als der eigentliche Anfang. Nun haben jene, die es wünschen, die Möglichkeit, die göttliche Lebensweise anzunehmen und Genossen dieses göttlichen Reiches zu werden. Der blutige Tod des Königs wurde somit zum Neuanfang, zum Sieg. Deshalb ist die Dornenkrone nicht Symbol der Folter und des Scheiterns, sondern des Sieges, denn der König hat in Liebe und Hingabe seine Untertanen ausgelöst.

Das Fest, welches die Christen dieser Tage feiern (und zwar 50 Tage lang) begeht diese Ereignisse. Vielleicht wäre es wert, einmal eine solche Dornenkrone näher anzusehen und zu fragen, wie es wäre, wenn dieser König tatsächlich existierte?

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