Monday, September 08, 2008
Wie war der Sommer?
Eine der Fragen, die man in diesen Tagen oft hört, lautet „Wie war dein Sommer?“. Die meisten von uns waren irgendwo, vermutlich exotisch, und der Fragende hofft natürlich auch auf die Gegenfrage, um selbst schildern zu können, wo er oder sie seinen Urlaub verbracht hat. Manchmal verursacht die Frage aber auch Frust, denn die Reise ins Paradies schien von Unwegsamkeiten begleitet: das Hotel war abgetakelt, das Service uaufmerksam, die Reisegruppe langweilig, das Wetter (ja besonders das Wetter heuer) schlecht- kurz der Urlaub war eine Enttäuschung.
Das Griechische hat ein wunderschönes Wort für Sommer: Kalokairi (καλοκαίρι) was so viel heisst wie „schöne Zeit“ und wir verstehen alle, warum. Seit unserer Kindheit hat der Sommer etwas Magisches an sich, mit seinen ewig dauernden 2 Monate ohne Schule, warmen Tagen und Erinnerungen an kindliche Seligkeit. Aber Kalokairi beinhaltet das Wort „Kairos“ für Zeit, und nicht „Chronos“: letzteres bezeichnet die mechanische Zeit, die unaufhaltsam abläuft, und der Gott, der sie darstellt, ist ein alter Mann. Kairos hingegen ist die rechte Zeit, der Augenblick, und sie wird mythologisch von einem jungen Schelm verkörpert. Damit wird etwas deutlich von der Flüchtigkeit dieser Jahreszeit und ihrer Unfassbarkeit. Gerade die besten Erinnerungen, die sogennanten „Memory Makers“ vergangener Sommer sind so oft Momente, die nicht planbar waren, sondern die sich ergaben. So auch für mich im heurigen Jahr: eine Laienaufführung von T.S. Eliots „Murder in the Cathedral“, ein spannender Kriminalroman an einem Regentag, ein köstliches Stück Haggis und ein Glas Sauvignon Blanc bei Ausblick auf das irische Meer. Diese Dinge sind nicht machbar, doch wenn sie sich ergeben, dann wissen wir, dass wir Kalokairi berührt haben, die schöne Zeit.
Enttäuscht werden sind wir zumeist dann, wenn wir gewisse Erwartungen an die Ferien hatten und vielleicht auch meinten, dass wir solche Augenblicke genauso schaffen können wie vieles andere in unserem Arbeitsleben. Damit schlüpfen wir aber in Chronos und nicht Kairos- wo wir pushen, machen und planen, anstatt abzuschalten und uns überraschen zu lassen.
Insofern hat die Frage, ob wir einen guten Sommer hatten, vielleicht weniger damit zu tun, wie exotisch unsere Destination war und mehr damit, ob wir in der Lage waren, von Hetzen auf Gleiten umzuschalten und von Planbarkeit auf Kontemplation. Dann kann Kalokairi uns in Belfast genauso gut überraschen wie auf den Malediven.
Ich hoffe, euer Sommer war gut!?